“Forschen & Verstehen”: Autonome Schiffe in der Binnenschifffahrt

5. Januar 2023, von Matthew Fennessy

Foto: pixabay/dendoktoor

In Zukunft sollen auch Binnenschiffe autonom fahren. Wie das für die Wirtschaft funktionieren kann, untersucht ein Team der Fakultät für Betriebswirtschaft der Uni Hamburg.

Forschende entwickeln nicht nur Technologien für autonome Autos, sondern auch für Schiffe in der Binnenschifffahrt. Doch bisher gibt es kein Modell, das die unterschiedlichen wirtschaftlichen und politischen Faktoren bei der Einführung solcher autonomen Schiffe berücksichtigt. Das Team um Prof. Dr. Qing Liu und Lingyu Zhang will das ändern und die Grundlage für eine wissenschaftliche Bewertung schaffen. In unserer Reihe „Forschen & Verstehen“ stellen sie ihr Projekt vor.

Was ist das Ziel Ihrer Forschung?

Liu: Zurzeit arbeiten Forschende an Technologien für die autonome Binnenschifffahrt. Man geht davon aus, dass die Wasserschifffahrt attraktiver wird – und damit die Nachfrage nach Schienen- und Straßentransporten sinkt. Vorausgesetzt, die neue Technologie spart Kosten, verbessert die Sicherheit, reduziert Emissionen oder bringt andere Vorteile. Ohne ein solides Wirtschaftsmodell lassen sich solche Erwartungen jedoch vor der Umsetzung nicht wissenschaftlich einschätzen. Das Hauptziel unseres Projekts ist daher die Erstellung eines Güterverkehrsmodells für die autonome Binnenschifffahrt in Europa. Auch die Folgen für die Umwelt sollen bewertet werden.

Das klingt nach einer wichtigen Frage für viele Logistik- und Schifffahrtsunternehmen.

Liu: Das ist sie. Autonome Schiffe sind noch sehr neu auf dem Markt, sodass es für Transport- und Logistikunternehmen nur sehr wenige Daten gibt, um zu entscheiden, ob sich eine Investition lohnt. Und es gibt viele verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, zum Beispiel Lieferzeiten, Umweltauswirkungen und das Serviceniveau.

Würden sie die Binnenschifffahrt der Bahn oder dem Lkw vorziehen, wenn sie damit die Kohlendioxidemissionen um zehn Prozent senken könnten? Und wie sollten staatliche Maßnahmen wie Subventionen aussehen? Um autonome Binnenschiffe effizient und erfolgreich einführen zu können, brauchen wir eine wissenschaftliche Grundlage und ein Modell, das all die verschiedenen Faktoren berücksichtigt und es uns ermöglicht, mögliche Kombinationen der verschiedenen Verkehrswege zu bewerten.

Das Forschungsteam: Lingyu Zhang, Prof. Dr. Qing Liu und Yang Yang. Foto: UHH/Esfandiari

Wie gehen Sie bei der Forschung vor?

Zhang: In einem ersten Schritt werden wir Erhebungen in Form von Interviews und Fragebögen durchführen. Auf diese Weise erhalten wir ein umfassendes Verständnis des Marktes, etwa der allgemeinen Anliegen, Herausforderungen, Transportanforderungen usw. Wir werden Vertreterinnen und Vertreter europäischer Schiffseigner und Dienstleistungsanbieter wie Hapag-Lloyd, Kühne + Nagel oder TS LINES befragen.

Anschließend werden wir auf der Grundlage der Informationen aus den Befragungen Wirtschaftsmodelle erstellen, um zu analysieren, wie die Einführung autonomer Binnenschiffe die Nachfrage nach verschiedenen Verkehrswegen wie Schiene und Straße verändern würde.

Darüber hinaus werden wir auch Simulationen verwenden und einen geeigneten Ansatz zur Bewertung der Kohlenstoffemissionen der Binnenschifffahrt entwickeln, wobei wir die autonome und die nicht-autonome Schifffahrt berücksichtigen.

Sie schauen nicht nur auf Deutschland, sondern auf ganz Europa. Mit wem arbeiten Sie zusammen?

Zhang: An unserem Projekt sind sieben europäische Universitäten in Belgien, den Niederlanden, Norwegen und Schweden beteiligt. Da unsere Forschung so eng mit der Schifffahrtspraxis verbunden ist, arbeiten wir mit zwei Hochtechnologieunternehmen und dem außeruniversitären Forschungsinstitut „Institute of International Transport Law“ zusammen. Neben akademischen Veröffentlichungen werden wir unsere Berichte und Informationen mit der Öffentlichkeit und den verschiedenen Interessengruppen teilen.

Das Projekt

Das Projekt „Gütertransportmodell mit autonomen Binnenschifffahrtsanwendungen und Umweltexternalitäten“ an der Fakultät für Betriebeswirtschaft ist Teil des „Autobarge“-Programms, das zu den „Marie Skłodowska-Curie“-Maßnahmen der Europäischen Kommission gehört. Ziel des Programms ist es, zukünftige Expertinnen und Experten für die autonome Binnenschifffahrt auszubilden.

Forschen & Verstehen

In den acht Fakultäten der Universität Hamburg forschen rund 6.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Auch viele Studierende wenden oft bereits im Studium ihr neu erworbenes Wissen in der Praxis an. Die Reihe „Forschen & Verstehen“ gibt einen Einblick in die große Vielfalt der Forschungslandschaft und stellt einzelne Projekt genauer vor. Fragen und Anregungen können gerne an die Newsroom-Redaktion(newsroom"AT"uni-hamburg.de) gesendet werden.

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